Die Geschichte vom Alten
Vor dem Haus donnerte etwas grollend und geräuschvoll die Straße entlang. Es klang nach irgendetwas ungemein Großem und Wuchtigem. Jonas war gerade dabei seine Hausaufgaben für den morgigen Tag zu machen. Neugierig sah er aus seinem Zimmerfenster. Dort tobten tatsächlich riesige Kugeln die Straße hinunter. Vier Stück waren es, und weiter oben rollte eine fünfte hinterher. Die Straße war nicht sehr breit, einige rollten auch mal auf der Wiese daneben weiter. Das musste sich Jonas genauer ansehen. Hastig schrieb er die letzten Ergebnisse in sein Matheheft und stopfte es in seinen Ranzen. Die Vokabelaufgaben mussten warten. Sein Freund Pepe war mit seinen Hausaufgaben bestimmt ebenfalls noch nicht fertig, er brauchte auch sonst immer etwas länger. Also beschloss Jonas sich allein auf den Weg zu machen, um herauszufinden woher die Kugeln kamen und was sie überhaupt waren.
Als er auf die Straße trat, war er erst einmal unschlüssig. Er überlegte, ob er nicht den Kugeln nachlaufen sollte. Oder doch erst mal schauen woher sie kamen? Er hoffte, dort gäbe es noch mehr davon, die rollenden Kugeln konnte er sowieso nicht mehr einholen. Als er die Straße hinaufstieg bemerkte er, nicht ein Auto, keine Straßenlaterne und nicht mal Blumen oder Sträucher waren zerdrückt oder verbeult. Die riesigen Kugeln hatten nichts beschädigt. Sie waren wohl nicht ganz so schwer, wie sie aussahen. Das Grollen, welches die Kugeln beim Hinunterrollen machten, war auch garnicht so entsprechend tief und dröhnend, erinnerte er sich jetzt. Er stakste weiter, die Straße war hier sehr steil und schließlich kam er am entlegensten Ende der Stadt weit oben auf dem Hügel an. Dort gab es ein einzelnes Haus, eine einfache kleine Holzhütte mit einer Bank davor. Jonas hörte ein oder zwei Ziegen in der Ferne meckern. Er war sich sicher, von hier mussten die Kugeln irgendwie hergekommen sein. Woher sonst. Weit und breit war nur noch Wiese und Einsamkeit.
Jonas schritt zögerlich, fast auf Zehenspitzen auf die Hütte zu. Es war hier ganz still. Am liebsten würde er gern durchs Fenster luschern. Plötzlich hörte er schwere, stampfende Schritte hinter der Hütte. Sein Nacken und seine Stirn wurden schlagartig heiß. Kaum gehört, trat ein mächtig großer, bärtiger Mann neben der Hütte hervor. Er hatte einen Eimer in der Hand, daraus hing Möhrengrün über den Rand. Der Riese sah ihn zuerst nicht, blieb aber wie angewurzelt stehen, als sein Blick auf ihn fiel.
"Ja wen haben wir denn da, wer will mich denn da besuchen?", kam es tief und brummend aus dem Mann. Er lachte breit.
"Komm rein, ich will grad Möhren schrubben."
Mit Abstand ging Jonas ihm hinterher. Er blieb im Türrahmen stehen. Der Alte hatte sich darunter durchbücken müssen. Der große Mann setzte sich an seinen Holztisch neben den Herd und schnitt sich ein dickes Stück von einem Laib Käse ab, der dort auf einem Holzbrett lag.
"Magst auch ein Stück? Ist guter Käse. Aus der Milch meiner Ziegen." Er schob sich das dicke Stück in den Mund und schnitt sich noch ein großes ab, dazu einige kleine Stückchen. Der Alte war groß und breit, mit Unterarmen so dick wie Jonas' Beine. Dicke schwarze Haare wuchsen widerspenstig und borstig aus allen Winkeln seines Kopfes. Man konnte nicht ausmachen wo die Kopfhaare aufhörten und der Bart begann. Einige weiße Strähnen bahnten sich hier und da ihren Weg.
Noch immer in der Tür stehend, stammelte Jonas: "...Entschuldigung..., ich heiße Jonas und wollte eigentlich nur herausfinden, woher die Kugeln kommen, die vorhin die Straße hinuntergerollt sind. Ich glaube, die müssen von hier gekommen sein." Er ging einige Schritte näher zum Tisch.
"Ja, ja die Kugeln", mampfte der Riese. Jonas setzte sich zögernd auf den leeren Stuhl am Tisch. Der Alte sagte aber nichts weiter.
"Wissen Sie denn woher die Kugeln kommen?"
"Ja, ja. Da bist du hier schon ganz richtig." Der Alte stand auf und holte sich ein kleines Messer aus der Küchenschublade. Dann setzte er sich zurück an den Tisch.
"Und was machen die Kugeln?"
"Sie machen nicht, sie sind." Der Eimer mit den Möhren stand zwischen seinen Beinen. Er begann die Möhren zu putzen. Das Grünzeug und die Schalen landeten im Eimer. Die geputzten Möhren legte er blank auf den Tisch neben dem Käse. Jonas' Blick fiel auf den Käse. Er nahm sich ein kleines Stückchen und roch daran. Das Käsestück roch stark nach Käse. Wie Käsefüße. Er steckte sich das Stück in den Mund. Es schmeckte auch so. Es kam ihm vor als wär er schon eine Ewigkeit beim Alten und wurde plötzlich unruhig.
"Ich muss aber aufpassen, nicht zu spät nach Haus zu gehen. Ich habe meine Hausaufgaben noch nicht ganz fertig und wenn ich sie nicht gleich nach der Schule erledige, muss ich spätestens um halb sechs zuhause sein und sie dann machen."
"Keine Sorge, du wirst nicht zu spät nach Hause kommen. Die Zeit vergeht hier oben langsamer als woanders", brummte der Alte unbekümmert. Tatsächlich war es noch nicht einmal drei Uhr am Nachmittag. Er war erst eine Dreiviertelstunde hier. Es fühlte sich aber sehr viel länger an. Er hätte gedacht, er müsste sich auf dem Weg nach Haus beeilen.
"Die Kugeln. Sie sind so groß, aber sie prallen nirgends gegen. Die Autos sind ohne Beulen, sogar die Blumen auf der Wiese sind nicht umgeknickt, wie geht das?"
"Ganz einfach. Weil ich aufpasse." Jonas machte große Augen. Er verstand nicht.
"Wenn die Kugeln runterrollen, sind darin lang Fäden befestigt, an einem kleinen Hölzchen, welches im Inneren steckt. Der Faden ist sehr dünn, kaum zu sehen. Wenn ein Hindernis kommt, zieht man am Faden und das Hölzchen funktioniert als Widerhaken, die Kugel hält an und man kann die Kugel dann an eine andere Stelle rollen. Außerdem sind sie sehr leicht, auch wenn es nicht so aussieht."
"Und wer steuert die Kugeln?"
"Ich. Sie werden an einem Pfeiler vor der Hütte angebunden und wenn ich merke, es kommt ein Hindernis oder etwas könnte überrollt werden, dann helf ich dem ab."
"Und woher weißt du, wann etwas im Weg steht?"
"Ich weiß es einfach", sagte er knapp. Jonas schwieg und dachte nach.
"Und die Kugeln, was sind das für Kugeln? Woher kommen die?"
Der Alte sagte nicht gleich etwas. Er putzte weiter seine Möhren.
"Sie kommen aus der Stadt. Von den Menschen", sagte er endlich.
"Je weiter sie rollen, umso kleiner werden sie. Sie werden immer kleiner bis sie platzen. Oft tragen sie auch etwas bei sich. Aus ihnen fällt dann ein Baumkeimling oder eine andere junge Pflanze oder es krabbelt ein Käfer daraus hervor, manchmal auch eine Motte."
"Wenn das passiert, sind sie, sind die Kugeln dann irgendwie tot, gestorben?", fragte Jonas zögerlich.
"Ha ha, ohooh", der Alte lachte schallend. Sein dicker Bauch bebte, er hielt sich dabei den langen Bart.
"Nein, nein, keine Sorge." Er drehte sich zum Käse und schnitt sich noch ein Stück davon ab. Jonas nahm sich auch noch ein Stückchen. Jetzt schmeckte er schon garnicht mehr so schlimm.
"Du stellst ganz schön viele Fragen." Mehr sagte er nicht. Und auch Jonas schwieg und grübelte weiter nach. Er nahm sich noch ein Stück Käse und stand dann auf.
"Danke, ich werd jetzt wieder nach Hause gehen."
"Hmmhm", brummte der Bärtige und schaute ihm nickend ins Gesicht.
Jonas konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Er wachte immer wieder aus verwirrenden Träumen auf. Er beschloss nach der Schule nochmal zum Alten zu gehen. Seinem Freund Pepe wollte er später davon erzählen. Am Nachmittag hatte er keine Hausaufgaben zu erledigen, also lief er sogleich den Hügel hinauf immer die Straße lang bis zum Ende der Stadt und dann links. Er rannte den gleichen Weg wie gestern, aber schon beim Laufen bemerkte er, die Hütte war nicht mehr da. Das kann doch nicht sein, wo ist das Haus hin? Dort wo gestern noch die Hütte stand, war nur noch eine halb zerfallene Bretterbude zu sehen. Eine mit Holzbrettern zugenagelte Hütte, die schon vom Unkraut halb verdeckt wurde. Hatte er sich verlaufen? Er schaute zu allen Seiten. Es war das einzige Häuschen weit und breit.
Wie vor den Kopf gestoßen, trottete er zur Straße zurück. Die Leere hier oben erschrak ihn. Er muss sich irgendwie im Weg vertan haben, er fand keine andere Erklärung. Vielleicht gibt es irgendwo eine Karte vom Ort. Dann könnte er sich vergewissern. Die Bibliothek hatte bestimmt eine, aber die war ja freitags immer geschlossen. Er überlegte. Die Buchhandlung! In der Mitte der Stadt neben der Bäckerei gab es eine kleine Buchhandlung. Er rannte vor Eifer den Hügel hinunter.
Vollkommen aus der Puste riss er die Tür der Buchhandlung auf. Das Glöckchen an der Tür schellte scheppernd gegen den Rahmen. Die drei Kunden im Laden hefteten ruckartig ihre Augen auf Jonas. Er hielt kurz den Atem an und pustete danach möglichst höflich "Guten Tag." Die Tür versuchte er so leise wie möglich zu schließen. Die Leute widmeten sich weiter blätternd ihren Favoriten. Die Buchseiten raschelten. Jonas ging auf den Buchhändler am Verkaufstresen zu.
"Guten Tag, ich such einen Stadtplan von unserer Stadt, haben Sie..." Der Buchhändler drehte sich langsam zu ihm rum, er tippte gerade an seinem Computer. Jonas hielt die Luft an. Das ist er! Das ist der Bärtige vom Hügel, von der Holzhütte! Der Alte grinste ihn an. Sein Bart war nicht ganz so lang und sein Bauch nicht ganz so dick, aber es war ohne Zweifel der alte Riese von gestern.
"Sie sind ja hier!", stammelte Jonas.
"Ich bin eben an der Hütte gewesen, aber die war ganz verlassen!" Der Bärtige grummelte.
"Das liegt daran, weil ich freitags immer meinen Buchladen öffne. Dienstags und mittwochs auch. Die anderen Tage bin ich oben in der Hütte. Dann habe ich auch wieder die Dinge, die ich dort hinbringen muss. Stadtpläne findest du dort rechts." Er zeigte auf ein Regal neben dem Tresen, drehte sich zu einem Kunden und beantwortete dessen Fragen.
Jonas war baff. Der alte Mann war hier. Und morgen wieder in der Hütte. Das Gespräch mit dem Kunden schien ausführlicher zu werden, also entschied er sich, den Alten morgen in der Hütte nochmal zu besuchen. Den Stadtplan brauchte er nicht mehr. Dann habe ich auch wieder die Dinge, die ich dort hinbringen muss. Die Worte waren ihm ein Rätsel.
Am nächsten Tag rannte er aufgeregt zur Hütte hinauf. Und tatsächlich, da stand sie, wie vor zwei Tagen. Er hörte die Ziegen meckern und der Alte war auch da. Es gab noch soviel, was er ihn fragen musste. Der Alte hämmerte an einer Holzkiste herum, die er für seine Kartoffeln baute. Seine Ernte war dieses Mal so reichlich, um sie den Winter über lagern zu können, brauchte er noch eine Kiste mehr. Jonas brauchte nicht lange zu warten, der Bärtige erzählte bald von selbst.
"Die Leute kaufen in der Buchhandlung nicht nur Bücher, weißt du, sie erzählen auch von sich. Viel erzählen nicht nur Heiteres sondern viele auch von ihren Sorgen, mitunter von Erlebnissen, die man niemanden wünscht, die sie an niemanden herantragen. Sie erzählen sie mir und ich höre ihnen zu. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist, aber mit der Zeit sehen die Leute in mir als Buchhändler jemanden, den sie ihre eigenen Geschichten anvertrauen können. Mit Geschichten kenne ich mich ja aus. Vielleicht, damit ich sie zum Buchinventar hinzufügen kann. Damit man sie nicht vergisst." Der Alte schweifte mit seinen Blick in die Ferne.
"Obwohl, eigentlich sagen sie es garnicht, also nicht direkt mit Worten. Das meiste erzählen sie mir über ihre Augen. Fast telepathisch. Obwohl so etwas natürlich nicht geht. Ihre Blicke lassen einen bis in die Tiefen ihrer Welt einsaugen. Es ist manchmal beklemmend. Diese Geschichten. Und diese Gefühle." Der Riese zog seinen Blick zurück, senkte den Kopf und schwieg. Er atmete hörbar aus. Er raffte ein paar Male seine Schultern und nahm wieder eine aufrechte Haltung ein. Er schaute Jonas an.
"Das was sie mir erzählen oder eben mir vermitteln, bringe ich mit zur Hütte und mache dann die Kugeln daraus. Die Kugeln rollen dann nachts die Stadt hinunter, in einer bestimmten Stunde, wenn alles und jeder schläft. Das letzte Mal gab es eine Komplikation und es funktionierte nicht richtig. Deshalb musste ich sie tagsüber runterrollen lassen."
"Komplikationen?", fragte Jonas hastig.
"Ach", winkte der Bärtige brummend ab. "Der Faden ist mir ausgegangen. Ich musste erst neuen knüpfen. Das wird mir nicht nochmal passieren. Eine mühselige Arbeit. Der Faden ist ja so schlecht zu sehen." Der Alte schüttelte den Kopf.
"Zurzeit muss ich so viele Kugeln machen. Und die Kugeln, sie müssen innerhalb einundzwanzig Stunden ihren Weg rollen. Das war wirklich eine Ausnahme, die Kugeln tagsüber rollen zu lassen. Die Leute waren darüber erstaunt, aber sie vergessen auch schnell. Bisher habe ich von niemanden gehört, der nach dem Ereignis gefragt hat. Außer dir."
"Und wohin rollen sie?"
"Zum See der Zeit."
"Hast du für mich schon mal eine Kugel gemacht?"
"Nein", der Bärtige lachte. "Das wüsstest du."
Der See der Zeit hatte der Bärtige gesagt. Von so einem See hatte Jonas noch nie gehört. Unten am Rande der Stadt gab es zwar einen See, aber der hieß schon immer Katzensee. Wieso er so hieß, wusste er allerdings auch nicht. Vielleicht weil sich dort liebestolle Katzen trafen. Nach dem Besuch beim Alten ging Jonas neugierig zum See. Dort angekommen krempelte er seine Hosenbeine hoch und latschte barfuß ins Wasser. Von hier aus sah er nichts Ungewöhnliches. Rechts von ihm ragte ein dicker Felsen bis ins tiefere Wasser. Er kletterte auf ihn hinauf und legte sich an dessen Ende, so weit, damit er mit dem Kopf nah über dem Wasser hing. Das Wasser war nicht sehr klar, aber von hier konnte man zumindest ins tiefere Wasser blicken. Er rutschte mit seinem Oberkörper weiter über die Felskante und konnte nun sein Gesicht ins Wasser tauchen. Mit geöffneten Augen versuchte er unter Wasser etwas zu erkennen. Es war kaum etwas auszumachen, aber irgendwie schien ihm, als lägen weiter in der Mitte des Sees rundliche Gebilde. Unterschiedlich groß, mal wie ein Tennisball, mal groß wie ein Fußball, aber keines so groß wie die rollenden Kugeln, welche die Straße hinuntergedonnert sind. Je weiter sie rollen, desto kleiner werden sie. Hatte der Alte das nicht gesagt? Aber vielleicht irrte er sich auch nur und das, was er dort hinten liegen sah, waren nur Steine. Oder tatsächlich nur über Jahre verlorengegangene Fußbälle.
"Und warum..., warum machst du die Kugeln nicht einfach unten am See?", hätte er ihn fragen sollen. Aber wahrscheinlich hätte der Alte ihn nur mit ruhigen, sanften Blick ins Gesicht geschaut und gesagt:
"Meine Hütte ist nun mal hier oben."
Der See war an dieser Stelle dummerweise etwas trüb. Er glitt vom Stein zurück an die seichte Stelle und wischte sich mit dem Arm das Wasser aus dem Gesicht. Die Sonne stand hoch am Nachmittagshimmel und dazu zirpten die Grillen. Eigentlich könnte man hier gut mit Pepe auf Entdeckungstour gehen. Kleine Käfer und Krabbelgetier fangen. Sein Blick fiel plötzlich auf etwas ihm Bekanntes. Im Augenwinkel glitzerte etwas rundes. Etwas kugelförmiges. Es lag im seichten Wasser recht nah am Ufer. Er ging näher heran. Das war tatsächlich eine der Kugeln, die er suchte, nur viel kleiner! Sie passte in eine Hand. Als er ganz nahe kam, bemerkte er neben der Kugel eine zweite. Vielleicht stecknadelgroß. Das waren wirklich zwei der Kugeln. Sie waren eigentlich tiefdunkelblau, kosmosblau. Die Sonne ließ sie aber funkeln. Erstaunt war er sich nun sicher, die Gebilde in der Mitte des Sees waren die Kugeln, von denen der Alte erzählte. Er war völlig perplex. Und bekam plötzlich einen riesigen Kohldampf.
Am nächsten Tag überlegte er sich, ob er heute nochmal zum Katzensee gehen sollte, um zu sehen, ob etwas passiert ist. Sollte er Pepe mitnehmen? Ach lieber nicht, wer weiß wie es dort heute aussieht, wer weiß was mit den Kugeln passiert ist. Er hatte keine Lust Pepe vorher alles zu erklären, über den Bärtigen, die Hütte, die Fäden. Er ging allein.
Es summte und flatterte rund um den See. Gestern schien es viel stiller. Er hängte sich wieder bäuchlings über den Stein. Hielt mit dem Gesicht unter Wasser Ausschau, konnte aber nichts ausmachen. Die kugelförmigen Gebilde, die er gestern noch meinte zu sehen, waren nicht zu entdecken. Schade. Aber dann konnten sie keine Steine sein, die wären heute noch da, folgerte er detektivisch aber enttäuscht. Er hob den Kopf und blickte über den See. Ein Frosch hockte neben ihm und schaute in dieselbe Richtung. Man hörte ein paar Mal das Platschen des Frosches auf dem nackten Stein. Jonas wollte ihm nachschauen, aber da war er auch schon weg.
Er rutschte zu der seichten Stelle im Wasser und hoffte, die beiden Kugeln lägen noch dort. Die er jetzt sah war vermutlich die größere von beiden, denn die Stecknadelgroße lag aufgebrochen funkelnd daneben. In ihr war nichts außer Leere. Sie war hohl. Im Wasser sah er eine dicke Raupe zappeln. Er fischte sie behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger heraus und legte sie auf einen Stein. Dort wandte sich die fette, triefnasse grüne Raupe hin und her. Jonas beugte sich tief über die Raupe. Die schaute hoch, drehte sich um und robbte zu einer sonnigen Stelle. Dort rollte sie sich von einer Seite auf die andere. Scheinbar einigermaßen trocken, kroch sie zu einem Grashalm, der über den Stein hing und kaute genüsslich auf ihm herum.
Mögen Raupen Gras?, fragte sich Jonas. Die Raupe spuckte aus. Sie kroch zu einem Löwenzahn und setzte dort ihre Mahlzeit fort. Er muss unbedingt mit Pepe herkommen. Hier gibt es wahnsinnig viele Tiere zu entdecken.