Der Elefant taucht wieder auf
Ich hörte mal eine Geschichte darüber, wie ein Elefant verschwindet. Es ist schon sehr ungewöhnlich, dass ein Elefant, so groß und unübersehbar, einfach so verschwindet, aber so war es nun einmal. Der Elefant lebte in einem Zoo und wurde von seinem Pfleger gehegt und gepflegt. Tagein, tagaus, Tag für Tag. Die beiden wurden desöfteren von jemanden beobachtet, denn dieser Jemand bewunderte den Elefanten und beneidete den Pfleger, und schaute den beiden so oft es ging sehnsuchtsvoll zu. Dieser Beobachter war nicht nur ein Verehrer, er wurde alsbald zum Zeugen. Denn von einem Tag auf den anderen war der Elefant verschwunden. Mitsamt dem Pfleger. Es ist schwer vorstellbar, wie ein Elefant verschwinden kann, er ist doch ein sehr großes Tier, wie schon erwähnt, kann sich so jemand Unüberschaubares ja nicht einfach in Luft auflösen. Es war ein Rätsel. Und blieb es auch. Die ganze Stadt überlegte sich allmögliche Varianten, wie und wohin der Elefant verschwunden ist. Aber nichts zu machen, es blieb ungelöst. Der beobachtende Verehrer allerdings weiß, wie es geschehen ist. Nur gibt er es nicht preis. Die Stadt wird nie davon erfahren. Ich lag so einige Male in meinem Bett, um zu schlafen, doch spukte diese Geschichte in meinem Kopf herum. Auch ich war auf der Suche nach einer Lösung, nach einer plausiblen Begründung, wie und wohin der Elefant - mitsamt dem Pfleger - verschwunden ist. So einem Elefanten begegnet man nicht alle Tage und es ist schade, wenn so einer dazu verschwindet. Nach solch Nächten der unruhigen Gedankengänge wache ich dann viel zu verkatert und noch müde auf, erholsam sind diese Nächte nicht. Aber dieser Zustand ist für mich nichts Neues, als Schriftsteller habe ich mich daran gewöhnt. Manch einer fragt sich sicherlich, weshalb Schriftsteller derart augengerändert den Tag durchwandern, wo sie doch keine körperlich schwere Arbeit verrichten, ihre Zeit frei einteilen können und zudem ausschlafen dürfen. Die Augenringe, welche des Schriftstellers Antlitz zieren, schiebt der Außenstehende dann beinah verächtlich oder aber neidisch auf die sicherlich mal wieder durchfeierte Nacht. Ha! Wenn dem mal so wäre. Derartige Illusionen habe ich schon lange beiseitegeschoben. Der Schriftsteller feiert nachts nicht. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Der Schriftsteller ist ein Eigenbrötler und hat kaum sozialen Kontakt, den er derart intensiv ausleben könne, dass er viele Nächte damit verbringen könnte. Selbst wenn er genug Freunde und Bekannte hätte, diese stünden ja in anständig Lohn und Brot, dass sie nachts, wie es sich gehört, natürlich schlafen. Sicher gibt es auch diejenigen, welche nachts arbeiten und tagsüber schlafen, dann könnten sie nachts allerdings immer noch nicht mit dem Schriftsteller feiern. Auch die Annahme, dass der eigenbrötlerische Schriftsteller dann eben allein in einer Kneipe oder Bar sitzt und sich so die Nächte um die Ohren schlägt, funktioniert nicht, denn der Schriftsteller ist ja bekanntlich desöfteren mittellos. Nein, der Grund für das übernächtigte Antlitz des Schriftstellers ist der: seine Einfälle lassen nicht zu, dass er zum ausgiebigen Schlafen kommt. Es ist nicht so, dass der Schriftsteller nicht müde wäre. Ganz im Gegenteil, er ist schrecklich müde. Doch jedesmal, wenn er sich müde schlafen legt, fallen ihm all mögliche Sachen und Geschichten ein, manchmal auch die unmöglichsten. Die Geschichten kommen dann, wenn er dringend Schlaf benötigt. So geht es mir zumindest. Entweder tauchen mir die Geschichten kurz nach dem Hinlegen im Kopfe auf, oder - was noch viel schlimmer ist - weit bevor ich ausgeschlafen habe, einfach weil sich in einer Leichtschlafphase ein Rädchen in meinem Hirn anfängt zu drehen. Egal, ob vor dem Schlafen oder mittendrin, die Geschichten sind vorzüglich, sie spinnen sich unbeschwert immer weiter und sind es wert, erzählt zu werden. Nur dafür muss ich sie mir merken. Von hier ab wird's kompliziert. Sobald ich die jeweilige Geschichte zuendegedacht habe, spiele ich sie mir noch ein paar Mal im Kopfe durch. Lerne sie auswendig, um sie dann bei der nächsten Gelegenheit aufschreiben zu können. An der Stelle kommt die Tücke ins Spiel. Bis ich sie aufschreiben kann, ach, bis ich sie aufschreiben will, dauert es. In meinem dann vorliegenden Zustand bin ich zu schwach dafür. Es ist nachts, ich bin hundemüde und die Geschichten tauchen auf, die ich ja unbedingt bewahren möchte. Ich klebe sie dann wie einen Spickzettel hinter meiner Stirn und jedesmal, wenn ich im nachfolgenden Schlaf halbschläfrig aufwache, rassele ich mir in meinem Geiste Teile der Geschichte herunter, um sicherzugehen, dass ich sie noch auswendig kenne. Man darf mit der Niederschrift nur nicht zu lange warten. Mit der Zeit sickern die Geschichten tiefer in das Gehirn, es ist dann schwer, sie dort herauszuklauben. Dann erinnert man sich nur noch, und das verfälscht die Sache. Nichts geht über das Original. Nun gut, manch einer wird sagen, dann schreib sie doch gleich auf! Ja, dem stimme ich zu, das wäre die beste Methode für einen folglich erholsamen Nachtschlaf. Doch es geht nicht. Ich habe es versucht, keine Frage, mehrmals sogar, aber sobald ich dafür das Licht einschalte, verkriecht sich mein Geist in die hinterste Ecke meines Gehirns, so müde wie er ist, und nimmt die Geschichte gleich dorthin mit. Licht funktioniert nicht. Ich wundere mich auch immer wie Schriftsteller sich des Nachts ihrer Arbeit widmen und sich dabei an einen Schreibtisch setzen mitsamt hell erleuchteter Tischlampe. Das würde bei mir nicht funktionieren. Nicht nur wegen des Lichts, ich habe auch schon versucht ohne Licht meinen Geist aufs Papier zu bringen, es funktioniert schon eher, die Kunst ist nur, so sauber niederzuschreiben, dass das Geschriebene am nächsten Tag zu entziffern ist. Man gibt sich alle Mühe mitten in das Dunkel hinein langsam und rund in Schönschreibschrift der ersten Klasse zu schreiben, mit dem Zeigefinger der anderen Hand als Zeilenvortaster, aber ohne Aufsicht der Augen wird es jedesmal schief. Buchstabensalat, der mehr aus Krakeln als aus Lettern zubereitet ist. Aber zumindest erleichtert diese notdürftige Art der Niederschrift den Geschichtendrang in meinem Kopf. Ich muss dafür auch nicht von meinem Bette aufstehn, sondern verbleibe mehr oder weniger in der liegenden Position, der Stapel Zettel samt Stift liegt schon unterm Bett bereit, so dass ich mit sogar geschlossenen Augen noch halb aus schlummernden Sphären heraus, den Inhalt meines Kopfes auf dem Papiere festhalten kann. Sich dafür aufzurichten ist ja bekanntlich keine gute Idee. Vorzugsweise ist es förderlich genau in der Position liegen zu bleiben, in der einem seine Geschichte eingefallen ist, damit nichts durcheinanderkommt, oder gar irgendwo hinunter fällt. Ich habe fast den Eindruck als befänden sich all die Geschichten bisweilen in den Füßen oder in der Mitte des Körpers, um dann während des Liegens in den Kopf zu fließen. Oder vielleicht ist der Grund für die vielen Einfälle in der liegenden Position gar der, dass der Kopf schräg liegt. Womöglich befinden sich die Geschichten in einer Ecke des Hirns und können dadurch herauspurzeln. Nun gut, an Einfällen mangelt es mir während der liegenden Position also nicht, verzwickt wird nur eben deren unmittelbare Dokumentation. Und meiner Ansicht nach liegt die eigentliche Übeltätigkeit nicht an dem Licht oder dem Aufrichten, die die Niederschreibung so schwer macht, sondern daran, dass man zu einem Stift greift. Oder vielmehr, ihn zwischen den Fingern hält. Denn das weitere Problem ist die Hand. Sobald ich zu einem Stift greife, ihn in die Hand nehme, um meine Gedanken endlich aufs Papier zu bringen, beginnt die stifthaltende Hand selber an zu denken. Sie mischt sich ein, bringt alles durcheinander. Ich muss immer wieder den Stift beiseite legen, um die Hand von ihrem Vorhaben abzubringen. Dann muss ich eine Weile ganz still dahocken. Bis die Dominanz wieder beim Kopf liegt. Nach einiger Zeit versuche ich es wieder und es geht von vorne los. Wie sehne ich mich nach einer Art Aufnahmegerät einer imaginären Stimme, ein Diktiergerät im Kopf, kein Licht, immer schön liegen bleiben und dem Senf-dazu-geben der Hand ein Schnippchen schlagen. Es wären paradiesische Zustände für mich, die Welt würde um unzählige Geschichten reicher und ich um einiges erholter. Natürlich gibt es auch Momente, in denen das, was im Kopf liegt, direkt in die Hand fließt, so schnell, dass die Hand meint, es käme von ihr. Dann hat der Kopf sie überlistet, und zwar mit seiner Rasanz. Besonders gut klappt dies weit vornübergebeugt, also den Oberkörper betrachtend, am besten auf dem Boden hockend. Die Mischung aus Druck der Sitzposition und Effekte der Schwerkraft macht es möglich. Nur funktioniert das bei mir auch wiederum nie nachts. Ich hätte noch so einige andere Überlegungen dazu anzugeben, weshalb Geschichten zu schreiben, besser, aufzuschreiben, eine anstrengende, ermüdende Angelegenheit ist, wobei die Betonung auf schreiben liegt, nicht auf das Ausdenken. Aber ich möchte an dieser Stelle von einer weiteren Ausschweifung meiner Ausführungen absehen, denn in dieser Erzählung geht es um etwas anderes. Um jemand anderes. Ich ging nach einer dieser unerholten Nächte frühnachmittaglichen Tages im städtischen Park spazieren, um meine Hand abzulenken und weil die Gesellschaft es erwartete, dass man nicht den ganzen Tag herumliegt. Das Positive an einem übernächtigten Gemütszustand ist die Tatsache, dass das Gehirn noch reichlich umwölkt ist. Als befänden sich noch Reste des Geschichtenwassers in ihm, welches noch nicht vollständig wieder zurückgeflossen ist. Es bedarf wohl acht Stunden bis zur Ebbe. So schwimmen einem den ganzen Tag noch Geschichtsfragmente im Kopf herum, die sich verselbständigen, der Schwerkraft trotzen. Geschichtenreste, die sich in der schummrigen Kraftlosigkeit des Kopfes an allen Ecken festklammern. Mit aufrechtem Kopf ging ich also vor mich hin, als ich plötzlich nahe des Weges etwas stehen sah. Es war sehr groß, geradezu imposant, beinah gut versteckt stand er nun da, winzige Meter von mir entfernt. Es war ein Elefant. Ich hielt abrupt inne, war erstarrt, ganz baff und guckte. Das was ich sah, kam mir nicht ganz echt vor, es war unmöglich. Zu allem Überfluss erinnerte mich der Elefant an jemanden: er war so groß und sah genauso aus, wie der in der Geschichte Beschriebene. Ich war mir sicher. Es war der verschwundene Elefant. Keine Verwechslung möglich. Ich starrte ihn an. Er starrte zurück. Ich war perplex. Besann mich aber schnell, mir fiel etwas ein. Ich schaute an dem Elefanten herunter, nicht dass ich ihn noch in einer peinlichen Situation erwischte, aber nein, der Elefant stand nicht hinterm Baum, hatte keine gewissen Dinge als Geschäftsmann zu erledigen. Dennoch wollte ich nicht weiter so starrend vor ihm stehen bleiben. Ich guckte umher und entdeckte eine Bank, keine zehn Meter entfernt. Ich trottete wie beiläufig dorthin. Ausgerichtet in die Richtung des Elefanten könnte ich ihn von dort unauffällig ungeniert mit dezentem Abstand ausgiebig beobachten. Als ich mich auf die Bank niederließ, bemerkte ich, dass der Elefant sich nicht vom Fleck bewegt hat. Er guckte mich nur weiter an. Dann senkte er verlegen seine Augen. Er fing an mit seinen großen Ohren ein wenig zu wedeln. Elefanten fächelten sich ja bekanntlich auf diese Art Luft zu, wenn ihnen zu warm ist und kein kühlendes Schlammbad zur Verfügung steht. Doch waren die nachmittäglichen Temperaturen nicht hoch genug, der Elefant war sicherlich wärmeres gewohnt. Sein Kopf wankte unentschieden ein wenig von einer Seite zu anderen, sein Rüssel schwankte mit, als ob er auf dem Boden etwas zu suchen vermochte, aber, bildete ich mir ein, das war nur ein Vorwand. Der Elefant wusste einfach nicht, was er tun sollte. Er wurde nervös. Ich saß stocksteif verkrampft auf der Bank und in mir stieg das unbändige Gefühl auf, ihn anfassen zu müssen. Ich bin ja sonst nicht so. Kätzchen, Kindchen, Elefantchen. Manche Leute mögen ja gern alles, was niedlich dreinschaut, anfassen. Vielleicht, um sich deren Echtheit gewahr zu werden. Ich kann mich für diese Vorliebe nicht begeistern. Außer jetzt. Nur war es eben ein Elefant, ein erwachsener Elefant. Elefanten sind ja bekanntlich gutmütig, wenn man ihnen nichts Böses will, und ich will ihm nichts Böses, aber ein versehentlich falsch gesetzter Schritt von diesem Fuß - Missgeschicke passieren. Diese dicke graubraune faltige Haut. Ich konnte mir dessen Anfühlen regelrecht vorstellen. Nun ja. Plötzlich hob der Elefant seinen Rüssel, ganz langsam, ganz sachte, hob ihn über seinen Kopf und zupfte von dort ein Blatt von der Kastanie. Er schob sich das Blatt schwerfällig in sein Maul und kaute. Seinen Blick behielt er nun wieder auf mich gerichtet. Nicht direkt, etwas von der Seite, als sollte er unbemerkt bleiben. Er tastete ohne Hinzugucken mit seinem Rüssel nach einem weiteren Blatt, es schien ihm zu schmecken. Nun wurde er allmählich lockerer und riss schon ein paar mehr Blätter von der Baumkrone. Er tapste sogar etwas umher, wühlte mit seinem Rüssel mal hier mal dort im Gras und entschied sich allem Anschein dafür eine ausgiebige Mahlzeit einzunehmen. Er schritt von einem Baum zum anderen und hinterließ gleichmäßig verteilte Löcher im Blattwerk. Ich kauerte auf der Bank, angespannt, aber nicht nervös. Ab und zu hörte ich eine noch nicht ganz reife Kastanienfrucht im Maul des Elefanten zerknirschen. Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, dass der Elefant sich nicht entfernte, ganz im Gegenteil, eher in meine Richtung pendelte, wenn auch nicht zielgerichtet. Womöglich lag es daran, dass der Elefant darauf achtete, die Einbußungen an den Bäumen, die seine Mahlzeit hervorrufte, gleichmäßig zu verteilen. Wie auch immer, nach einer Weile stand der Elefant recht dicht vor mir. Es stand auch kein Baum mehr in unmittelbarer Nähe, der Elefant wankte seinen erneut gesenkten Kopf wieder nervös hin und her. Und setzte sich plötzlich neben mich. Also, nicht direkt neben mich, sondern neben mir und der Bank, setzte sich unbeeindruckt eines mitunter dort liegenden Astes krachend ins Gras. Halb verdreht saß er nun dort wie aufrecht liegend, die beiden Vorderfüße aufgestellt. Nicht, dass neben mir auf der Bank nicht noch frei gewesen wäre, das schon, aber der Elefant ist ja bekanntlich ein intelligentes Wesen, mit seinen Ausmaßen hätten wir dann beide nichts mehr von der Bank gehabt, das wusste er. Der Elefant war neben mir noch viel größer als wie er dort vorn stand. Er saß also nun nebenan von mir im Gras und guckte. Zuerst schaute er noch geradeaus, in die Richtung in der ich ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. Jetzt hatte er den Kopf gedreht und beguckte mich. Neben mir im Park saß ein Elefant und beäugte mich mit seinen murmeligen grauschwarzen Augen. Und ich beäugte ihn. Mit meinen graublauen. Er schaute an mir hinunter und betastete mich geradezu mit seinen Äuglein. Kaum merklich hob sich sein Rüssel ein wenig, sank wieder zurück. Als würde er etwas überlegen, wandte er seinen Kopf plötzlich von mir ab und schaute vermeintlich wieder in die Ferne. Ich selbst wusste die ganze Zeit nicht recht wohin ich schauen sollte, halb auf den Elefanten, halb auf die Bäume in der Nähe. Auf einmal drehte er seinen Kopf wieder zu mir hin. Er hob seinen Rüssel. Ganz langsam, und streckte ihn immer weiter zu mir aus. Wie in Zeitlupentempo näherte sich mir der Rüssel, ich sah in die beiden Rüssellöcher, die langsam größer wurden. So ein Rüssel ist schon ein recht seltsames Körperteil. Es ist einer der obskursten Körperteilerfindungen, die es gibt. Das muss man sich mal vorstellen, oder wenn man die Gelegenheit hat, wie ich in dieser Situation, auch mal genau betrachten. Da hängt halb unten aus der Stirn ein langer Rüssel bis zum Boden. Nur um sich damit Blätter und Zweige abzuknapsen und sich in den Mund zu stecken. Sicher, es könnte auch als Feindabwehr dienen, eine kräftige Waffe, aber ehrlich, solch ein Elefant braucht sich nur mal wütend in Bewegung zu setzen, das wirkt schon angsteinflößend genug. Der Elefant ist das einzige Tier auf der Erde mit solch einer Ausstattung, eines der einzigartigsten Lebewesenkörperteile. Solch ein Elefantenrüssel, kein anderes Tier hat so etwas. Sicher, es gibt hier und da den Ameisenbär, auch sehr seltsam, den mausartigen Rüsselspringer oder von mir aus auch den Schmetterling mit seinem filigranen Nektarzapfer, aber nichts von alledem kann in seiner Imposanz erfolgreich konkurrieren mit dem Rüssel eines Elefanten. Alles andere ist nur dessen zu vernachlässigende, schlechte oder unausgereifte Nachahmung, nicht der Rede wert. Der Rüssel kam nun ganz dicht an mich heran. Ohne mich dabei zu berühren, glitt er von meiner Schulter meinen Arm hinunter, ich sah wie seine Nüstern dabei dezent schnüffelten. Die Rüssellöcher saugten erst ein und wurden dann wieder größer. Er schnüffelte weiter und landete neben meinem Unterarm. Dort verharrte er. Und dort hatte ich keine Kleidung. Es war ein warmer Nachmittag. Der Rüssel glitt einmal den Unterarm entlang, schnüffelte, verharrte. Immer noch berührte er ihn nicht. Er war kaum einen Zentimeter von meiner Haut entfernt. Ich war wie elektrisiert. Meine Haare standen aufrecht, sie mussten ihn ungemein kitzeln. Er ließ sich nichts anmerken. Ich spürte den Luftsog, den er machte. Plötzlich, ganz plötzlich, unverhofft, aber unendlich behutsam sank das Rüsselende auf meine Haut, umschloss meinen Unterarm. Ich unterdrückte ein Wimmern, beinah ein Quieken. Der Rüssel war ungeheuerlich warm und fühlte sich an wie er aussah. Weich und ledern. Ein Elefant berührte mich. Weil er mich berühren wollte. Vor Neugier. Ich wollte auch. Ich wollte ihn auch berühren, endlich, und schob meine Hand auf das Rüsselende. Meine Finger drückten ein wenig, nur ganz leicht, um mehr zu spüren, aber es reichte nicht. Ich schob nun die ganze Handfläche auf das Rüsselende. Die ganze hornig teigige graubraune Masse unter meiner Hand. Wir tasteten uns nun gegenseitig ab, der Elefant mich an meinem Unterarm, ich ihn an seinem Rüsselende. Diese merkwürdige Konsistenz, sie war so fremd, so neu, und kam mir dennoch vertraut vor, es erinnerte mich an etwas, als erwachsener Mann kam es mir körperlich bekannt vor. Wir sahen uns hin und wieder noch zögerlich gegenseitig in die Augen. Nun tasteten wir uns schon weiter voran, er mir ans Bein, unter meine Hose, ich reckte mich hoch und fing an ihn am Kopf zu tätscheln. Dickhaut und Borsten. Wade und Stachelbeerhaare. Hin und wieder musste ich grinsen, während wir uns weiter abtasteten, konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und ich meinte in seinen Augen zu erkennen, dass es ihm genauso ging. Ich und der Elefant. Der Elefant ist wieder aufgetaucht.