Kunststück
Mit Assistent, männlich natürlich. Den hat sie von der Kunsthochschule. Hat einen Aushang gemacht, am schwarzen Brett, ob nicht jemand Lust hätte für kleines Geld, obwohl klein ist da untertrieben, Assistent im Kunstgewerbe zu sein. Prompt meldeten sich unzählige Studenten. Sie nahm den Anschlag am dritten Tag vom Brett. Auch einige Mädels waren dabei, aber sie tendiert da eher zu den Jungs, umgänglicher. Außerdem hat sie da mehr Vertrauen in die Fahrkünste, es geht ja quer durchs Land, es gibt auch Mädels, die fahren wie ein Kerl, aber die sind nur schwer zu finden, die Wahrscheinlichkeit ist größer, wenn man gleich einen Kerl auswählt. Sie selber sourct das lieber aus. Als Beifahrerin macht sie sich besser. Flexibilität ist auch gefragt, die Aufträge unvorhersehbar, in ihren Auftragsorten, -zeiten und -längen, sie musste sich schon von ein paar netten Assis verabschieden, leider, der Studiumsdruck, dies hier ist ihr dritter. Ging beim zweiten dann schon über Mund-zu-Mund-Propaganda, das spricht sich rum, Kosten und Logis inbegriffen, und das auf ordentlichem Niveau. Die Rechnung reichte sie nur an ihre Kunden weiter.Den Kleinbus nahmen sie nicht nur zum Fahren, meist auch zum Schlafen, das spart die teuren Hotelaufenthalte, mehr drin für den Assistenten, die Spesen rechnete sie trotzdem unter vermeintliche Hotelaufenthalte ab, nach einer Hotelrechnung hat noch niemand gefragt, wär ihr in dem Augenblick auch abhandengekommen. Zweimal fragt keiner danach. Manchmal boten die Kunden auch Gästezimmer an, aber das lehnte sie meist ab, ein Gästehaus ging ja noch, die meisten hatten ja eine üppige Bebauung, aber nur in den seltensten Fällen willigte sie ein. Sie fühlte sich beobachtet, und außerdem vermied sie so die Ideen fixierender Essenseinladungen. Bloß nicht zuviel Kontakt. Distanz verkauft sich besser. Zumindest das des Images. Der Extravaganz. Die übliche Werkserstellung veranschlagte sie mit drei Tagen. Spätnachmittags Anfahrt, am Folgetag das Hauptwerk, am dritten Tag die Übergabe. Mitunter schon am zweiten Tag fertig, blieben sie natürlich, wegen der Spesen. Wie überwältigend! Wie voller Kraft! Ach, bleiben Sie noch bis zum Abend, wir würden uns außerordentlich freuen, wenn wir sie zum Abschluss zu einem gemeinsamen... Nein danke, verzeihen Sie, Termine. Ach schade, wie schade... Gearbeitet, oder besser bearbeitet wird eher nachts, bearbeitet und konsumiert, mit Wichtung auf letzterem.Die Grundierung ist recht schnell vollbracht, das schaffen sie meist vor dem Dinner. Das Trocknen macht sich auch von selbst, und braucht so seine Zeit, genügend Zeit, um ausgiebig Restaurants und Bars zu erkunden, in diesen Kreisen nichts ungewöhnliches, die Spesenrechnung füllen mit Dingen nur vom Feinsten. Kamen oft früh morgens zurück ins provisorische Atelier, um hier und da die Farbkleckse zu setzen, der Körper ihrer Werke. Früh vormittags war auch das vollbracht, erledigt des Inhalts vieler Flaschen, gingen sie nicht frühstücken, sondern schlafen, winkten noch den baldigen Kunstbesitzern, die sind ja immer so früh wach. Das Malerflies überspannte den Boden, der gesamte Raum wird eingenommen, die Leinwand wird darauf verteilt. Der Kunde wünscht eine großflächige Auslegung. Die ganze Seitenwand. Das ist ihr am liebsten. So kann sie ausgiebig herumschmieren. Professionell, natürlich. Kunstvoll, natürlich. Versteht sich. Die Leinwand müsste zwar zusammengeflickt werden, aber für die Übergänge hatte sie da eine Technik. Die Nähte verschwanden. Der Assi tunkte die Leinwand mit der Malerrolle in Zitronengelb, während die Künstlerin rauchte, Zigaretten, die dünnen, langen. Trug schon jetzt die dicke durchsichtige Malerbille, zum Einfühlen, malen tut sie mit der klobigen Malerbrille. Vor den Kunden aber nicht, da nur mit Sonnenbrille. Das Atelier blieb verschlossen, das machte sie so aus, Künstlergeheimnis bis zum Schluss, das versteht doch der Herr Gemahl und seine Gattin, nicht? Ja, natürlich. Natürlich, ja.Sie hatte da ein Konzept. Kunstauftrag nach Orientierungspunkten. Nur grobe Festlegungen, Größe: Wandbreite und Höhe, Grundfarbe: Rot. Gelb. Nachfrage: Farbe von Teppich, Tapeten, Möbeln. Die Intensität bestimmt die Künstlerin vor Ort. Im Einklang mit der Umgebung. Und der Inspiration der Künstlerin. Von der Künstlerin individuell gefertigt, die Werke. Ganz exklusiv. Direkt vor Ort. Großflächig, natürlich. Das macht was her. Für die Farbakzente hatte sie rot und grün gewählt. Vermeintlich im angepriesenen Einklang mit der Umgebung. Aber das hatte sie schon von vornherein so vor. Sie hatten garnichts anderes dabei. Zur Not hätte sie eine der Farben weggelassen. Im Bus war kaum Platz, den brauchten sie ja zum Schlafen. Das Werk sah schon ganz schneidig aus, das kann so bleiben, nicht zuviel. Der späte Nachmittag beginnt mit Frühstück, das Atelier wird aufgeräumt, das Werk schon schön drappiert. Das gute Restaurant dort hinten? Und vorher noch die andere Bar. Die Gattin schlug die Hände über den Kopf. Ach Gott ist das schön! Wie schön! Total verzückt. Der Hausherr gab sich gönnerisch, und kannte sich da aus. Oah, oh, hmm, ja, mhmmm. Und nochmal, oah. Sie zog ihre Sonnenbrille ein Stück die Nase hinunter und lugte über den Brillenrand. Im Beisein der Kunden stets Sonnenbrille. Hatte sie was übersehn? Alles in Ordnung. So wie gedacht. Die Optik stimmte. Der Kunde schwelgte nur. Tief in ihrem Bauch schwoll es zu einem langgezogenen Laut an, der versuchte, ihre Kehle emporzukriechen. Schwer zu unterdrücken. Sie sah rüber und hoch zu ihrem Assistenten, der war so cool. Die Brille rutschte wieder. Sie hatte sich eine dieser Sorte von riesigen Sonnenbrillen zugelegt. Ihre Nase war nur sehr klein. Das machte ihre Arbeit manchmal gefährlich. Wenn irgendwas das Beisein des Kunden bei ihrer Werkelei erforderte. Von Collagen mit eingearbeiteten Sonnenbrillengestellen hielt sie nichts. Es fiel ihr schwer, das mit dem Glucksen… Trinkgeld. Irritiert. Der Kunde verstört von seiner eigenen Idee. Wollte nicht verletzen. Der Scheck, zehntausendfünfzig. Naja. Die Spesen extra, natürlich. Die Spesenrechnung werde sie nachschicken.